Was macht eigentlich Jürgen Haller?
"Für mich war er ein ganz normaler Papa"
Was hat Jürgen Haller seinem Vater Helmut voraus? Er hat Bundesliga gespielt. Im Sommer 1973 kehrte er mit seiner Familie wieder nach Augsburg zurück, wo er von Juventus zu den Junioren des FCA wechselte. Nach seiner Zeit in der FCA-Jugend wurde er gleich in die erste Mannschaft übernommen, wo er mit dem Team den Sprung in die 2. Bundesliga schaffte. 1984 wechselte er zum Zweitligisten Blau Weiß 90 Berlin, mit dem er 1986 sogar in die Bundesliga aufstieg. 1991 ging es wieder zurück zum FCA, 1994 wurde das Team unter Trainer Armin Veh souverän Meister. Aus diesem Grund traf sich das Meisterteam auf Einladung des Vereins zum Spiel gegen Bayer 04 Leverkusen in der WWK ARENA.
Hallo Jürgen, wo habe ich dich denn gerade erreicht?
Dort, wo ich die meiste Zeit verbringe, in meiner Versicherungsagentur in der Bergstraße (lacht).
Du kannst dir wahrscheinlich denken, warum ich bei dir anrufe. Am Samstag ist die 1994er-Mannschaft, die vor 30 Jahren die Bayernliga-Meisterschaft gewann, in die WWK ARENA eingeladen. Freust du dich schon, deine alten Kameraden wieder zu sehen?
Ja, absolut. Mit der Hälfte der Spieler bin ich ja heute noch in Kontakt, aber alle auf einem Haufen, das wird ein Fest! Mit der Mannschaft von Blau-Weiß 90 Berlin haben wir seit vielen Jahren eine WhatsApp-Gruppe, da ist der Kontakt selbst nach fast 40 Jahren noch nicht abgebrochen. Das mit der Einladung in die WWK Arena ist eine tolle Sache, vielleicht bekommen wir es ja auch hin, dass wir uns in Zukunft mit der Mannschaft einmal im Jahr treffen.
Ich war überrascht, als ich deine Daten bei Transfermarkt gecheckt habe. Du hast für BW 90 Berlin mehr Spiele gemacht als für den FC Augsburg. Genau genommen waren es 185 Einsätze für den Hauptstadtklub und 175 für den FCA.
Wenn ich so zurückblicke, ich war doch fast acht Jahre in Berlin, das ist für einen Fußballprofi schon eine sehr lange Zeit.
Erzähl doch mal, wie deine Kindheit und Jugend verlaufen ist. Du hast ja doch einige Jahre in Bologna und Turin gelebt.
Ich bin zwar 1963 in Augsburg geboren, habe aber zehn Jahre in Bologna und Turin verbracht. Als wir 1968 von Bologna nach Turin gezogen sind, habe ich zusammen mit dem Sohn des damaligen Präsidenten Giampietro Boniperti in der Jugend von Juventus gespielt. Juve ist ein großer Klub, aber als Steppke habe ich das überhaupt nicht wahrgenommen, für mich war nur wichtig, dass der Ball rollt. Und dort habe ich bis zu unserem Umzug nach Augsburg gespielt.
Wie war die Zeit in Italien mit so einem berühmten Vater? Die Italiener haben ja „Il Biondo“ richtig geliebt.
Alles hatte seine Vor- und Nachteile. Zu dieser Zeit gab es leider immer wieder mal Entführungen und das hat unsere Familie schon auch eine Zeit lang belastet. Ich habe das gerade in den jungen Jahren gar nicht so richtig einordnen können, dass mein Vater so berühmt war, für mich war er eben ein ganz normaler Papa. Später war es nicht immer einfach, so einen berühmten Namen zu haben, denn man wird zwangsläufig immer mit seinem Vater in Verbindung gebracht und verglichen. Ich kannte ja auch die Kinder von Franz Beckenbauer und denen erging es ähnlich wie mir. Aber grundsätzlich haben wir uns in Italien schon sehr wohlgefühlt, ich hatte viele Freunde dort und war voll integriert.
Wie war das für dich, als ihr 1973 wieder nach Augsburg zurückgekehrt seid?
Wenn ich es mir damals aussuchen hätte können, dann wären wir in Italien geblieben, ich bin dort aufgewachsen, es war wie eine Heimat für mich. Obwohl ich Augsburg gut kannte und oft meine Ferien dort verbracht habe, war die Umstellung nicht ganz einfach.
Als ich diesen Sommer in Italien am Strand mit einem älteren Italiener ins Gespräch kam, wollte er wissen, aus welcher Stadt ich komme. „Augsburg? Ahhh. Eeeelmut Aaaaller“ war sein Kommentar.
Ich bin ja wirklich oft in Italien und wenn der Name Haller fällt, dann ist immer auch heute noch ordentlich was los (lacht). Es ist schön, dass ihn die Menschen immer noch in Erinnerung haben.
Hast du 1973 dann gleich beim FCA zu kicken begonnen?
Ja, ich habe mit zehn Jahren angefangen, habe alle Jugendmannschaften durchlaufen und nach dieser Zeit bin ich 1982 in die 1. Mannschaft übernommen worden. Trainer war damals Hannes Baldauf und mit dem sind wir gleich in die 2. Bundesliga Süd aufgestiegen. Nach zwei Jahren bin ich dann nach Berlin zum Zweitligisten Blau-Weiß 90 gewechselt.
Das war ja damals regelrecht eine FCA-Filiale.
Das stimmt, mit Leo Bunk, Thomas Motzke und Peter Gartmann waren gleich mehrere ehemalige FCA-Spieler dort aktiv. Das lag daran, dass mit Michael Koppold ein Spielerberater aus dem Schrobenhausener Raum für BW 90 arbeitete und er viele Kicker aus dem süddeutschen Raum im Blickfeld hatte.
1986/87 folgte der Aufstieg in die Bundesliga, wo du es auf 24 Einsätze gebracht hast. Das war wohl mit Sicherheit der Höhepunkt deiner Karriere.
Das stimmt, die Bundesliga war immer ein Ziel von mir und ich war natürlich glücklich als es soweit war. Und das habe ich meinem Vater voraus, mein Vater war zwar der bessere Spieler, aber ich habe im Gegensatz zu ihm in der Bundeliga gespielt (lacht).
Auffällig ist, dass du in den ersten 23 Spielen immer 90 Minuten durchgespielt hast. Dann warst du elf Spieltage nicht im Kader. Was war geschehen?
Ich habe mir damals einen Bänderriss zugezogen, was sehr ärgerlich war. Mein Ehrgeiz war aber so groß, dass ich es bis zum Saisonende wieder geschafft habe aufzulaufen.
Insgesamt hast du beachtliche 414 Pflichtspiele in deiner Karriere absolviert. Du bist also weitestgehend von Verletzungen verschont geblieben.
Die kamen dann später beim FCA, erst hatte ich mir die Achillessehne gerissen, dann folgte ein Kreuzbandriss, der lange nicht festgestellt wurde, weil meine Muskulatur so stark war. Aber wenn ich zurückblicke, habe ich fast immer 90 Minuten durchgespielt und wurde nur selten ein- oder ausgewechselt.
Du hast noch vor der Wende acht Jahre in Berlin gelebt. Wie war's da so?
Die Zeit war überragend. Wir hatten ein gutes Leben, vor allem die Kameradschaft im Team war überragend. Wie ich vorhin schon erwähnte, wir haben selbst nach so langer Zeit immer noch Kontakt untereinander.
Über die Zwischenstation Linz bist du 1991 zum FCA zurückgekehrt und hast noch fünf Jahre in der Rosenau gespielt.
Armin Veh hat damals nach einem routinierten Defensivspieler gesucht, ich war auch noch ablösefrei und so hat er mich nach Augsburg geholt.
Bayernliga-Meister von 1993/94 feiern Wiedersehen
In der Saison 1993/94 seid ihr in der Bayernliga souverän Meister geworden.
Da sind wir regelrecht durch die Liga spaziert. Wir hatten eine Bombentruppe mit Franz Becker, Thomas Motzke, Christian Radlmaier, Michael Hecht, Ando Dörr und wie sie alle hießen. Diese Zeit war toll und es hat unheimlich Spaß gemacht.
Leider seid ihr 1994 in der Aufstiegsrunde an Fortuna Düsseldorf und Eintracht Braunschweig gescheitert.
Wir sind mit einem 2:1-Sieg zuhause gegen Eintracht Braunschweig gut gestartet. Beim vorentscheidenden Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf stand aber leider Georg Koch im Tor, der einen überragenden Tag hatte. Er hat später mal in einem Interview gesagt, dass das beste Spiel seiner Karriere das gegen den FC Augsburg war.
1996 hast du dann deine Laufbahn beim TSV Aindling und TSV Schwaben Augsburg langsam abklingen lassen.
Aber ganz langsam, denn ich habe mit fast 50 Jahren noch in der Bezirksliga gespielt, als Libero habe ich mit meiner Übersicht viel Laufarbeit wettgemacht (lacht).
Wenn du so auf deine Karriere zurückblickst …
… dann bin ich rundum zufrieden, mit dem was ich erreicht habe.
Ein Wort zum FCA 2024?
Es war eine tolle Woche für den Klub. Viertelfinale im DFB-Pokal erreicht und Unentschieden beim Tabellenzweiten Eintracht Frankfurt. Da kann man sehr zufrieden sein. (ws)