Was macht eigentlich Stefan Mayr?
“Nimm den Mazinho, dann sind die Kameras auf dich gerichtet”
Stefan Mayr wechselte Ende der Achtziger Jahre von der TSG Augsburg zu den A-Junioren des FCA und hat von 1990 bis 1992 unter Trainer Armin Veh in der Bayernliga gespielt. Der Journalist der Süddeutschen Zeitung hat bisher vier Fußballbücher veröffentlicht, sein neuestes Werk “Unter Bombern – Fritz Walter und der Krieg” erscheint im Oktober. Der gebürtige Augsburger im Interview mit dem Stadionkurier.
Stefan du bist mittlerweile nach Stuttgart umgezogen. Wie kam es dazu?
Ich bin schon seit über 25 Jahren als Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung beschäftigt und war zehn Jahre lang Schwaben-Korrespondent in Augsburg. Vor ein paar Jahren bekam ich das Angebot, in die Wirtschaftsredaktion nach Stuttgart zu wechseln und habe es angenommen. Meine Frau kommt aus Stuttgart, ihre Eltern leben dort, das war also alles eine glückliche Fügung.
Wirtschaftsredakteur - klingt eher trocken.
(lacht) Ganz im Gegenteil, das ist sogar unheimlich spannend. Stuttgart – da sitzen Porsche, Mercedes, Bosch und viele andere Wirtschaftsgiganten. Da ist immer etwas los. Sozusagen das Epizentrum des Kapitalismus.
Wärst du nicht lieber Sportjournalist?
Nein. Ich habe während meiner Augsburger Zeit öfter über sportliche Themen und auch über den FCA berichtet. Ich habe als Jugendlicher sogar in der Sportredaktion der Augsburger Allgemeinen gejobbt. Als Sportjournalist ist man jedes Wochenende auf Achse, da hat man nie ein freies Wochenende. Das muss ich nicht mehr haben, ich bin glücklich damit, wie es ist.
Du bist Ende der Achtziger Jahre von der TSG Augsburg zum FCA gewechselt. Heute wird quasi schon im Schulpausenhof gescoutet.
Das stimmt, so etwas ist heute gar nicht mehr denkbar. Die TSG war damals im Juniorenbereich der größte Konkurrent des FCA. Das gab es immer heiße Derbys. Natürlich war der FCA besser, aber wir haben ihnen immer ziemlich Contra gegeben.
Und wie kam dein Wechsel zum FCA zustande?
Heiner Schuhmann war damals Juniorentrainer beim FCA. Er hat das klug angestellt, weil er einfach die drei besten TSG-Spieler zum FCA gelotst hat. Einer davon war ich.
Von dir stammt folgende Aussage: “Den FCA habe ich als Jugendspieler der TSG bis zur A-Jugend gehasst. Dann bin ich dorthin gewechselt. Seitdem hat mein Klub drei Farben und die sind rot, grün und weiß.” Woher rührte diese anfängliche Antipathie?
Es war klar, dass man als TSG-Spieler die arroganten Typen vom FCA nicht mochte. Obwohl die nicht wirklich arrogant waren. Da steckte schon auch etwas Neid dahinter, das muss man schon so sagen. Und seit meiner Zeit bin ich FCA-Fan, meine Söhne sind ebenso glühende Anhänger.
Du hast damals auch den Sprung von den A-Junioren in den Profikader geschafft.
“Beim FCA kommsch ja eh nie dran!” Das musste ich mir von meinen ehemaligen TSG-Kollegen immer anhören. Aber ich habe es geschafft. Mein Trainer beim FCA war übrigens Armin Veh.
Der FCA Anfang der Neunziger Jahre – wie muss man sich das vorstellen?
Das hat mit dem heutigen FCA nicht mehr viel gemeinsam, heute ist alles bis ins Detail professionalisiert. Wir haben viermal die Woche trainiert. Damals haben fast alle Spieler noch nebenbei gearbeitet. Samstag war Spieltag und zu den Auswärtsspielen ist man am selben Tag vorgefahren.
Nichts mit Spielerhotel also?
Nein, bis auf eine Ausnahme, als wir mal gegen die SpVgg Bayreuth gespielt haben.
Du hast unter anderem mit Andi Dörr und Jürgen Haller gespielt.
Und mit Martin Trieb. Der kam damals als 30-Jähriger von Eintracht Frankfurt zurück zum FCA. Ich kann mich noch an das erste Training erinnern, als er einen Freistoß aus 30 Metern genau ins den Torwinkel gezimmert hat. Da habe ich als 18-jähriger Frischling natürlich Bauklötze gestaunt. Übrigens auch, als ich später seine ramponierten Profi-Beine in der Kabine gesehen habe.
Verrate uns doch mal, was man damals so verdient hat.
Ich kann nur über mich berichten. Ich war damals Student und hatte 300 D-Mark Grundgehalt plus Einsatz- und Siegprämie. Im Optimalfall waren es dann also circa 1.000 D-Mark. Nach zwei Jahren bin ich aber in die Landesliga gewechselt und habe mich auf meinen Beruf als Journalist konzentriert.
Du hattest sogar einen Einsatz gegen den FC Bayern in der Rosenau.
Der FCA hatte damals noch eine Kooperation mit den Münchnern und so kam der große FC Bayern einmal im Jahr zum Testspiel in die Rosenau. Klar, das war für mich als junger Spieler ein absolutes Highlight.
Wie war das genau?
Armin Veh hatte mich gefragt, ob ich gegen Bruno Labbadia oder gegen Mazinho spielen möchte. Den hatten die Bayern damals gerade frisch verpflichtet. Veh meinte ganz lapidar: “Nimm den Mazinho, dann sind alle Kameras auf dich gerichtet”. Habe ich dann auch gemacht.
Und wie war die Karussellfahrt?
Ich hatte das Glück, dass Mazinho gerade frisch mit dem Flieger eingetroffen war und er noch etwas Jetlag in den Beinen hatte. Kollege Herbert Schmoll attestierte mir im AZ-Spielbericht eine starke Partie. Überragender Mann bei uns war übrigens Joseph Babatunde.
Fußballer, Journalist und auch noch Buchautor! Du hast inzwischen vier Bücher veröffentlicht. Wie wird man Autor von Fußballbüchern?
Schreiben war schon immer eine Leidenschaft von mir. Das erste Buch resultierte auch etwas aus dem Zufall heraus. Ich bin großer Fan von “Dinner for One”. Nachdem es damals in der Vor-Google-Zeit kaum Literatur darüber gab, habe ich mich entschlossen, selbst ein Buch zu schreiben. Und dann folgten noch drei Fußballschmöker, die zum Teil in sehr renommierten Verlagen erschienen sind.
Deine Buchtitel suggerieren eine gewisse Vorliebe für “filigrane Blutgrätscher”. Liegt nicht daran, dass du auch gerne mal die Sense ausgepackt hast, oder?
(lacht) So schaut‘s aus! Ja, ich war auch eher der Rustikal-Virtuose. Aber was wäre Franz Beckenbauer ohne seinen Katsche Schwarzenbeck gewesen? Wäre Deutschland 1954 Weltmeister geworden, wenn nicht Werner Liebrich den “Major” Ferenc Puskas abgemeldet hätte? Die sogenannten Wasserträger sind die wahren Helden des Fußballs.
Hast du schon ein neues Buch in Planung?
Das habe ich tatsächlich. Ich befinde mich gerade quasi im Endstadium von meinem neuen Werk. Ich schreibe ein Buch über deutschen Fußball während des zweiten Weltkriegs. Titel: “Unter Bombern - Fritz Walter und der Krieg”. Da kommt auch Ernst Lehner vor. Es erscheint im Oktober im Riva-Verlag. Bei Amazon kann man das Buch bereits vorbestellen. Und im Herbst ist schon eine Lesung in Augsburg im “11er” geplant.
Warum schreibst du eigentlich nicht über Helmut Haller? Das letzte Buch “Der Mann mit den goldenen Beinen” erschien 1964. Wird also echt mal Zeit, dass jemand den „Hemad“ wieder huldigt.
Da hast du mich jetzt tatsächlich auf den Geschmack gebracht. Das wäre tatsächlich reizvoll, über den größten Fußballer Augsburgs etwas zu machen. Helmut Haller war damals Trainer beim FCA, als ich bei den A-Junioren gespielt habe. Ich habe ihn einmal beim Torwarttraining erlebt. Er hatte sich fünf Bälle an der Strafraumgrenze zurechtgelegt. Er hat jeden Einzelnen direkt im Winkel versenkt. Wahnsinn!
Und was sagst du zum FCA aktuell?
Ich kann es manchmal selbst nach neun Jahren noch immer nicht glauben, dass unser FCA in der Bundesliga spielt. Ich staune jedes Mal, wenn der FCA in der Tagesschau kommt oder ich bei den Heimspielen Hunderte von Gästefans in der Innenstadt erlebe. Werder Bremen war Meister, als ich Jugendlicher war. Heute stehen wir vor ihnen in der Tabelle. Und ich muss nur vor meine Haustür in Stuttgart schauen. Wo ist der große VfB? In der zweiten Liga, während der FCA in der Beletage kickt. Es ist ein Geschenk und ich genieße es in vollen Zügen. (ws)