Was macht eigentlich Ingo Feistle?
"Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort"
Ingo Feistle hat als Schüler beim SSV Dillingen und dem FC Gundelfingen gespielt, bevor er 1997 zu den B-Junioren des FCA wechselte. In der Saison 2000/2001 schaffte er den Sprung von den A-Junioren in die Bayernliga, 2002 folgte der Aufstieg in die Regionalliga. 2005 ging er nach einem sechsmonatigen Intermezzo in der Bezirksliga zum damaligen Oberligisten FC Heidenheim, mit dem er drei Aufstiege bis in die 2. Bundesliga feiern konnte. Im Stadionkurier blickt der Abwehrspieler auf seine Zeit in Augsburg zurück.
Hallo Ingo, wo habe ich dich denn gerade erreicht?
Ich sitze gerade im Auto. Ich bin auf dem Weg zum Friseur und meine Beifahrer sind meine zwei kleinen Jungs. Aber wir können gerne reden.
Du arbeitest als Finanzbeamter in Dillingen. Bei Finanzbeamten und Polizisten hat man irgendwie immer ein schlechtes Gewissen, auch wenn man nichts ausgefressen hat.
Ja, das kenne ich, wir haben da wohl ein bestimmtes Image. Aber so schlimm ist das alles gar nicht, ich bin ja ein umgänglicher Mensch (lacht).
Lass uns über Fußball sprechen. Vor 20 Jahren stieg der FCA von der Bayernliga in die Regionalliga auf. Das war für dich als junger Spieler sicherlich eine sehr aufregende Zeit?
Allerdings, es war meine zweite Saison bei den Senioren und wir sind mit dem FCA sogar sehr souverän in die Regionalliga aufgestiegen. Ich glaube, wir hatten am letzten Spieltag zwölf Punkte Vorsprung vor den Amateuren des TSV 1860 München. Das war schon eine unglaublich tolle Truppe.
Du bist in der Saison 2000/2001 von den A-Junioren des FCA direkt ins Bayernligateam gerutscht und hast dir auch gleich einen Stammplatz als linker Verteidiger erkämpft. Für dich war der Zwangsabstieg sicherlich ein Glücksfall, denn der FCA war pleite und musste notgedrungen auf den eigenen Nachwuchs setzen.
Absolut, wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Es war tatsächlich so, dass wir bei der ersten Trainingseinheit zur neuen Saison keine zwölf Spieler im Kader hatten. Das war die große Chance für Spieler wie Markus Thorandt, Thomas Wörle oder für mich und wir haben diese Gelegenheit beim Schopf gepackt und wurden auf Anhieb Stammspieler. Das war für unsere Entwicklung natürlich optimal.
"Es war abzusehen, dass die Bayernliga nicht die Endstation sein würde"
Wenn man den Leuten heute von dieser Epoche berichtet, stehen sie meist staunend da. Wie hast du diese Jahre in Erinnerung?
Wenn ich so zurückblicke, dann waren wir es, die das neue Zeitalter des FCA mitgestaltet haben, das macht mich auch ein bisschen stolz. Klar, die Infrastruktur war damals eine ganz andere, das kann man mit heute überhaupt nicht vergleichen, aber trotz allem war der FCA immer noch eine gute Adresse, gerade für uns Youngster. Mit Gino Lettieri kam ein erfahrener Trainer, von dem wir alle profitiert haben. Es war damals schon abzusehen, dass die Bayernliga nicht die Endstation des Vereins sein würde. Als dann Walther Seinsch eingestiegen ist, ging es nur noch in eine Richtung, nämlich nach oben.
Nach dem Aufstieg in die Regionalliga folgte Ernst Middendorp als Trainer, der eher auf erfahrene Spieler gesetzt hat.
Auch wenn ich weniger Einsätze hatte, Middendorp hat mir immer das Gefühl vermittelt, dass ich zum Team gehöre, von ihm habe ich viel gelernt. Als Armin Veh ihn ablöste, hat sich das geändert, er hat mit uns jungen Spielern eigentlich kaum kommuniziert und wenn ich ehrlich bin, habe ich damals auch die Lust am Fußball verloren.
Du hast einen kuriosen Weg eingeschlagen, von der Regionalliga bist du in die Bezirksliga gewechselt.
So war es, mein Vertrag beim FCA lief aus und ich sah dort keine Perspektive mehr für mich. Nach einer kurzen Fußball-Pause haben mich zwei Freunde überredet, just for fun beim SSV Glött mitzuspielen.
Dein Gastspiel dort dauerte allerdings nur sechs Monate, weil dein Vater immer nach Heidenheim in die Sauna fuhr.
(Lacht) Die Geschichte hat sich tatsächlich so ergeben, mein Vater war regelmäßig in der Aquarena in Heidenheim zu Gast und in der Sauna dort kam er mit einigen Fans ins Gespräch. Der FCH war gerade in die Oberliga Baden-Württemberg aufgestiegen und hatte trotz eines guten Starts anscheinend Probleme im Abwehrbereich. So kam es, dass ich vom damaligen Trainer Dieter Märkle zum Probetraining eingeladen wurde.
Dieter Märkle ist ja auch in Augsburg ein alter Bekannter, er trainierte später die U23 des FCA. Aus deinem Probetraining wurde eine echte Erfolgsstory, die fast zehn Jahre andauern sollte.
Das konnte ich damals natürlich nicht wirklich ahnen, wohin diese fast schon unglaubliche Reise noch führen sollte.
Nach dem Aufstieg mit dem FCA konntest du mit dem FCH noch drei weitere feiern, der Fuball-Express fuhr von der Oberliga bis in die 2. Bundesliga. Du bist also ein echter Aufstiegsspezialist.
Ja, das bin ich wohl (lacht). Es war eine unglaublich tolle Zeit und ich habe bis auf die letzte Saison fast immer durchgespielt. In der letzten Drittliga-Saison habe ich mich während einer Länderspielpause bei einem Testspiel am Oberschenkel so schwer verletzt, dass ich mich nicht mehr davon erholt habe und meine Laufbahn notgedrungen beendet musste.
"Ich bin dankbar, dass ich von schweren Verletzungen verschont geblieben bin"
Du hast es in deiner Karriere auf insgesamt 349 Pflichtspiele gebracht, 146 davon in der 3. Liga und insgesamt 50 Mal bist du für den FCA aufgelaufen. Da kann man zufrieden sein, oder?
Das bin ich absolut, ich bin dankbar, auch dass ich – bis auf die eine Spielzeit zum Ende hin - immer von schweren Verletzungen verschont geblieben bin.
Du hast als Spieler einige Jahre unter Frank Schmidt trainiert, der dieses Jahr sein 15. Dienstjubiläum als Cheftrainer in Heidenheim feiert. In der heutigen Zeit ist das wahrlich eine Leistung und auch eine Sensation. Was macht ihn denn aus?
Der Mann ist eine Institution, er ist ein gradliniger und authentischer Typ und ein wirklich toller Trainer. Er fordert zwar viel von seinem Team, aber er ist dabei immer fair und ehrlich.
Hast du noch Kontakt zum einen oder anderen Kollegen aus Augsburger Zeiten?
Meine Zeit beim FCA ist jetzt auch schon zwei Jahrzehnte her, aber mit wem ich immer wieder Mal telefoniere, sind Markus Thorandt oder auch Oliver Remmert. Am meisten zu tun habe ich mit Robby Strauß, der nach seiner Zeit beim FCA auch lange in Heidenheim gespielt hat. Er arbeitet seit dieser Saison auch für den FC Heidenheim in der Geschäftsstelle und unterstützt den Vorstandsvorsitzenden Holger Sanwald sowie Petra Saretz (Vorstand Organisation und Lizenzierung) und Gerrit Floruß (Vorstand Finanzen) bei allen strategischen und operativen Tätigkeiten.
Wie sehr verfolgst du noch die Geschehnisse beim FCA?
Schon noch mit großem Interesse und ich freue mich immer, wenn der FCA gewinnt. Ich freue mich auch immer, wenn ich mal in der WWK Arena zu Besuch bin. Toll war es, als wir im Oktober 2018 vom FCA zum Traditionsspieltag gegen RB Leipzig eingeladen wurden, da hatte man dann auch die Gelegenheit, frühere Mitspieler wiederzusehen.
Du hast zu Beginn des Interviews deine Jungs erwähnt. Sind die FCA- oder FCH-Fans?
Die sind noch zu klein und haben sich da noch nicht wirklich positioniert (lacht). Aber ich war mit ihnen schon im Stadion und es hat ihnen auch großen Spaß gemacht. (ws)